Winterliche Sternhaufentour mit 6 Zoll
Offene Sternhaufen im Fuhrmann
Ein Beobachtungsbericht vom 19.12.00, erschienen im Magellan Nr.2/2001
Armin Quante, Eckernförde

Der Abend des 19.12.2000 bietet hier im nord-östlichen Schleswig-Holstein nicht gerade das, was man auch nur annähernd als gute Beobachtungsbedinungen bezeichnen könnte. Wenigstens klar ist es. Auch wenn leichter Dunst die visuelle Grenzgröße auf höchstens 5.0 mag begrenzt, zieht mich dieser Sternenhimmel nach einer unglaublich langen Schlechtwetterperiode magisch an. Die Objekte meiner Begierde, ausgewählte Galaxiengruppen im Grenzbereich eines 6-Zöllers liegen schon weit westlich. Der neue SkyAtlas 2000 glänzt matt im Schein der LED-Leuchte. Dieses Geburtstagsgeschenk von meiner Frau soll heute eingeweiht werden. Nach kurzer Suche entscheide ich mich für eine Tour durch Auriga. Vor allen sollen heute einmal neue Objekte aufgesucht werden, anstand immer die Kette M35 bis M38. Trotzdem fange ich zum Warmsehen erst einmal mit dieser Reihe heller Sternenhaufen an. M35 wie gewohnt okularfüllend, der Hintergrundhaufen NGC2158 erscheint heute eher schwach. M37 wie gewohnt viele Sterne, M36 ist sehr mager, nur wenige Sterne. M38 und NGC1907 sind gleichzeitig im Gesichtsfeld des 25mm Plössl und bieten von diesen vier hellen Sternhaufen den schönsten Anblick.
Ich schaue mich in der Umgebung um. Keine Blätter mehr auf den Bäumen, überall brennt Licht in der Umgebung. Auch die indirekte Fensterbeleuchtung des Nachbarn macht heute keine Ausnahme. Aber die Leute haben ja keine Ahnung das es mich stört.
 

Nun stelle ich NGC1778 ein. Ein kleiner Sternhaufen ca.4° nordwestlich von M38.  NGC1778 ist eine interessante Konstellation. Einige Sterne in südlichen Teil bilden einen gewundenen Schwanz, der in Richtung eines hellen etwas östlich stehenden Sterns zeigt. Bis auf diesen ca. 9 mag hellen Stern sind fast nur gleich große, etwa 11mag helle Stern zu erkennen. Nur ein paar wenige schwache Nadelstiche kann ich bei längeren Hinschauen erkennen. Jetzt versuche ich das Unmögliche! Bewaffnet mit gespitzten Bleistift und Zeichenplatte sowie „unterstützt" von einem Bügelstuhl fange ich an meine erste Astrozeichnung anzufertigen. Zwar habe ich schon ein paar Mal kleine zeichnerische Notizen angefertigt, diese aber nie als Zeichungen fertig gestellt. Vor lauter Konzentration merke ich gar nicht das ich dabei schwer atme. Völlig selbstvergessen sitze ich nun da und peile - nehme das Auge vom Okular - will Punkte auf das Papier machen: „Moment wie war das nochmal.." nochmal schauen. Es dauert lange, sehr lange bis ich mich dafür entscheiden kann, dass alle Sterne im Gesichtsfeld des 25er Plössls nun auch auf dem Papier vermerkt sind. Schnell noch Nordrichtung vermerkt - durchatmen.

Nun schwenke ich das Teleskop nach Nordosten. Knappe 2° weiter streife ich einen hellen Stern 5. Größenklasse, etwa die gleiche Distanz weiter nordostlich geschwenkt ist NGC1857 schemenhaft in der Mitte des Suchers zu erkennen. Nach dem Blick durchs Teleskop stutze ich erst einmal. Nochmal ein Blick durch den Sucher: „Doch, das müsste er sein..". Im Teleskop hingegen fällt der schwache kleine Sternhaufen kaum auf. Zunächst erkenne ich nur 4 Sterne um einen helleren Stern der 7. Grössenklasse. Dann, nach längeren Hinsehen bemerke ich einen schwachen Sternnebel am Rand. Dieser Nebel wirkt etwas länglich und richtet sich nach Süden aus. Mit Augenklappe und vor dem Gesicht geformten Händen versuche ich das Licht der Nachbarhäuser abzublenden. Es ist einfach nicht mehr zu entdecken. Leicht gefrustet schaue ich auf die Sternkarte und bemerke im Schein der fast schon überflüssigen roten Taschenlampe einen größeren offenen Sternhaufen mit mir fremd erscheinender Bezeichnung Cr62, etwa 2° nördlich von NGC1857. Bisher orientierte ich mich immer an NGC- oder M-Objekten. Andere für mich exotische Bezeichnungen von DeepSky Objekten schrieb ich automatisch immer den Kollegen mit den großen Lichteimern zu. Aber jetzt will ich doch mal sehen ob die etwas für mich übrig gelassen haben. Zu sehen ist ein heller Stern der 5. Grössenklasse und drum herum einige wenige Sterne die zu einem Dreieck geformte Ketten bilden. Vermutlich sieht man mit großen Teleskopen dieses Dreieck ausgefüllt mit Sternen, ich sehe mit den 6-Zöller nur die schwarze Unendlichkeit dazwischen. Na gut, aber schon mal ein Anfang jenseits der NGC-Pfade.
 

Gute 6° nordwestlich von Cr62 befindet sich der kleine Sternhaufen NGC1664. Er ist verhältnismässig leicht zu finden, man peilt einfach nur zwischen die beiden Sterne e Aur und 59 Aur, beide im 8x50 Sucher gut zu erkennen. Auch NGC1664 zeigt sich schon als kleiner schwacher Nebel im Sucher. Nach dem ersten Blick durchs Teleskop hole ich wieder die Zeichensachen. Der Sternhaufen ist zwar klein, enthält auch nicht allzuviele Sterne, aber die Form des Haufens lädt einfach zum Zeichen ein. Was leider auf der Zeichnung später nicht nicht so erscheinen wird, ist eine karoförmige Form die ich visuell bemerke.
Der Versuch mit höherer Vergrößerung die kleinen Sterne nahe dem Zentrum von NGC 1664 besser zu erkennen scheitert an der Grenzhelligkeit dieses Abends.

<Zeitsprung> Einen Abend später stehe ich fröstelnd auf dem Aschberg. Minus 4°C  ein feuchter böiger Wind fegt vom Meer kommend über diesen kleinen Hügel im nord-östlichen Schleswig-Holstein. Visuelle Grenzgröße etwa 5,5 mag. Ich ringe mit mir selbst, einfach ins Auto zu steigen und ins warme Heim zu flüchten. Dann gebe ich mir einen Ruck. Kurz darauf sitze ich zeichnend am 12,5mm Okular und banne das auf 96fach vergrößerte Zentrum von NGC 1664 aufs Papier. Es muss schon ein komischer Anblick sein, wie ich da von Kopf bis Fuss in eine warme Decke gehüllt hinter dem Newton sitzte, zum Glück ist hier normalerweise niemand den ich so erschrecken könnte. Da das Auge mittlerweile mehr oder weniger am Okular festgefroren ist, gönne ich mir noch einen langen Blick auf den Orionnebel. Die hellen warmen Strahlen dieses Nebels lassen mich einen Moment vergessen wo ich gerade bin. Dann weht eine besonders kräftige Böe die Decke fort und ich sitze urplötzlich in der Kälte des Weltalls.  </Zeitprung>
 

Von NGC1664 wird das Teleskop nun 3,5° in Richtung Westen geschwenkt. Im Sucher erscheint unübersehbar der große Sternhaufen NGC 1582. Im 25mm TAL-Plössl macht sich dieser Haufen fast okularfüllend. Ein schöner Sternhaufen, viele verschieden helle Sterne. Im Westen bilden einige Sterne einen Bogen. Etwas östlich sind ein paar sehr schwache Sternlein auszumachen, ob die zum Haufen gehören? Dieser Sternhaufen inspiriert mich ebenfalls dazu eine Zeichnung anzufertigen. Nun geht es schon etwas besser. Trotz vieler Sterne gelingt es mir diese recht zügig aufs Papier zu bringen. Etwas schwierig ist es die Größe der Sterne zu vermerken. Bei dieser Zeichnung mache ich es erstmals so, dass jeder Stern egal wie hell als einfacher Punkt verzeichnet wird. Die Grenzgröße des Sterns wird mit einem der Helligkeit entsprechend langen Fähnchen gekennzeichnet. Ganz kleine, gerade um Sichtbarkeit ringende Sterne werden nur als Punkt vermerkt.

Der nächste Sternhaufen NGC1647 liegt einen größeren Sprung ca.25° südlich von NGC1582. Ebenfalls okularfüllend jedoch keine Besonderheiten. Wenige gleichhelle Sterne ohne ein für mich erkennbares Muster ziehen meinen Blick nicht lange an. Der Sternhaufen liegt nur 3,5° nordwestlich von Aldebaran. Genau 9° westlich von Aldebaran liegen zwei Sternhaufen so dicht nebeneinander, dass sie gemeinsam im Okular beobachtet werden können. NGC1817 und NGC 1807 sind so etwas wie eine Miniaturausgabe des Doppelsternhaufens h und chi im Perseus, bieten jedoch lange nicht so ein spektakulären Anblick. NGC1817 besteht aus 5 helleren und wenigen schwächeren Sternen. NGC1807 hat ein paar hellere Sterne mehr zu bieten, ansonsten sind sich beide sehr ähnlich. Die Grenze zwischen den beiden Haufen ist nicht exakt zu erkennen. Mittlerweile ist es feucht geworden. Ich kann mich nicht mehr dazu durchringen diesen Haufen zeichnerisch festzuhalten, verlockend warmes Licht glimmt schwach aus unserem Wohnzimmer und hier draussen ist es elend kalt.

Aber da ich schon mal aufgebaut habe, und der Himmel endlich einigen von seinen Juwelen präsentiert mache ich weiter. Noch ein „Cr" und zwar Cr69 im Orion. Der ist schnell aufgefunden, den der Stern Meissa etwas nördlich zwischen Betelgeuse und Bellatrix, markiert genau das Zentrum von Cr69. Leider bekomme ich nicht den ganzen Haufen in das 25mm Plössl mit fast 57° Gesichtsfeld. Nur die hellsten Sterne sind noch zu erkennen, der Spiegel taut zu, ausserdem ist der Dunst dichter geworden, ich breche ab.
Beim Verstauen der Ausrüstung hole ich den 7x50 Feldstecher aus dem Haus. Im Feldstecher ist Cr69 wirklich ein lohnender Anblick, auch wenn der Dunst bereits die schwächeren Sterne verschluckt.
Drinnen betrachte ich kurz darauf meine Zeichnungen und zeige diese bei einem wärmenden Rotwein meiner Frau. „Aha?!" und ein leichtes Schmunzeln verrät mir die Zustimmung zu meiner Verrücktheit nachts in der Kälte zu stehen und mit dem Bleistift Punkte aufs Papier zu malen. Später bei der Reinzeichnung am PC sind diese Sternhaufen schon so etwas wie alte Bekannte für mich.